"Ein letzter Gruß" - Gedichte die das Leben schrieb

Gedichte die das Leben schrieb

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"Ein letzter Gruß"

Nachdenkliche Geschichten

Ein letzter Gruß

Gruß


An meine Großmutter habe ich sehr viele schöne Erinnerungen.
Wie gerne hörte ich ihren Erzählungen zu! Sie las mir oft aus dem Buch "Der Schatzberg" vor.
Das war ein Märchen- und Sagenbuch ihrer sudetendeutschen Heimat. Immer wieder hatte sie eine spannende Geschichte für mich parat.
Und so kannte ich die Erzählungen bald auswendig. Oft saßen wir in ihrem Wohnzimmer gemütlich beieinander.
Ihre alte Kaminuhr schlug zu jeder halben Stunde. Ich liebte diesen hellen, feinen Klang.
Hier erlebte ich viele glückliche Stunden, es war eine friedliche und freundliche Zeit, die ich mit ihr verbringen durfte.
Jahre später, ich war gerade 23 Jahre alt geworden, erreichte mich ein Anruf meiner Mutter.
Ich lebte zu dieser Zeit schon mein eigenes Leben, weit weg von meinem Elternhaus.
"Oma ist gestern ganz plötzlich gestorben", sagte meine Mutter mit tränenerstickter Stimme am Telefon, " am Abend zuvor war sie noch guter Dinge.
Doch am nächsten Morgen wurde ihr plötzlich übel. Sie fasste sich ans Herz und verlor innerhalb von wenigen Minuten das Bewusstsein.
Der Notarzt konnte ihr nicht mehr helfen. Sie starb genau um 9 Uhr". Ich war sehr traurig.
Natürlich hatte ich meine Großmutter in den letzten Jahren hin und wieder besucht.
Aber, wie es im Leben oft ist, hat man als junger Erwachsener andere Interessen und ein eigenes Leben.
Die Erinnerungen an meine Kinderzeit waren natürlich da, aber sie wurden vom Alltag und den beruflichen Anforderungen meistens verdrängt.
Doch jetzt war es endgültig: Oma war tot und nun blieb mir von ihr nichts mehr als die vielen schönen Erinnerungen...
Bei ihrer Beerdigung konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass meine geliebte Omi da wirklich tot im Sarg lag.
Aber ein letzter Blick in ihr Gesicht nahm mir jeden Zweifel. Auch das Abschiednehmen gehört zum Leben...
Meine Mutter wollte mir später einige Sachen von Großmutter geben, doch ich nahm nur das Märchenbuch aus dem sie mir immer vorgelesen hatte.
Als ich ein Jahr später wieder einmal meine Mutter besuchte, meinte sie:
"Ich habe noch die alte Kaminuhr von Oma auf dem Dachboden. Die hat Dir doch immer so gefallen. Wenn Du möchtest., kannst Du sie mitnehmen".
Ich freute mich sehr. Die Uhr war schließlich ein Andenken an meine Großmutter und ihr schöner Klang hatte mich ja meine ganze Kindheit hindurch begleitet.
Mutter ging nach oben auf den Dachboden und kam etwas später mit einem großen Paket zurück.
Gewissenhaft wie sie war, hatte sie das kostbare Stück gleich gut und sicher verpackt.
Einige Tage später, ich war gerade von einer mehrtägigen Geschäftsreise zurückgekommen, entdeckte ich in meiner Wohnung das noch immer ungeöffnete Paket mit Omas Uhr.
Ich hatte es ganz vergessen.
Mit zitternden Fingern öffnete ich es. Ja! Da war sie!
Tränen traten mir in die Augen und es war mir, als ob Oma selbst mir noch einen letzten Gruß gesendet hatte.
"Ich verspreche Dir", sagte ich leise, "dass ich Deine Uhr immer in Ehren halten werde..."
Das gute Stück war sehr staubig und sofort holte ich einen Lappen, um die Uhr zu reinigen.
Doch als ich sie mir dabei näher betrachtete, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen.
Mein Blick fiel auf das goldene Zifferblatt und ich bekam eine Gänsehaut. Die Uhr war Punkt neun Uhr stehen geblieben...

(C) 2014 Klaus Enser-Schlag

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